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Eigentlich wollte unser P-Seminar in Bambergs englische Partnerstadt Bedford fahren, von wo aus wir dann na­türlich auch eine Exkursion in die Weltstadt London unternommen hät­ten. Aber wegen Brexit und Corona muss­ten wir schließlich umplanen und widmen uns nun dem Welterbe der Stadt Bamberg. Dabei steht allerdings nicht die Bergstadt mit Dom und Residenz im Mittelpunkt, sondern die Gärtnerstadt östlich der Regnitz. Statt schillern­der Großstadt mit ultramoderner City-Skyline – alte, historische Gärtnerhäuser und lehmige Ge­müsefelder? – „So ein Mist,“ mag sich da manch ein Schüler gedacht haben, aber so lang­sam schweifen die Gedanken nicht mehr so oft sehnsüchtig in die Ferne und es gedeiht so­gar mehr und mehr das Interesse an der heimischen Gärtnerkul­tur.

A propos „Mist“: auf einem Unterrichtsgang durch die Gärtnerstadt erfuhren wir, dass dieser eine sehr wichtige Rolle für den Erfolg der Bamberger Gärtner gespielt hat. So war der faser­reiche Pferdemist aus den Bamberger Kavallerie-Kasernen, die sich in den großen Back­steinbauten in der Nürnberger Straße befanden, einst heiß begehrt als wertvoller Dünger.

Bei einem Besuch im Gärtner- und Häckermuseum in der Mittelstraße konnten wir dies mit eigenen Augen sehen, denn das Feld hinter dem Haus ist jetzt etwa 30 Zentimeter höher als die Fläche des Erdgeschosses, weil auf dem Acker 300 Jahre lang der fruchtbare Pferdemist angehäuft wurde.

Auch die Bamberger Sämereien erwiesen sich als interessanter als anfangs vermutet. Diese waren einst landauf, landab bekannt und fast echte „Global Players“. Gemüsesamen aus Bamberg führte sogar zum Aufschwung des niederländischen und englischen Gartenbaus und selbst die Schiffsmannschaften dieser beiden Seefahrernatio­nen nahmen Samen aus Bamberg mit auf ihre Nordamerika- und Ostasienfahrten. Aber, so wie heute, konnten auch damals einige Sämer nicht genug Profit machen und ruinierten durch illegale Machenschaf­ten den guten Ruf der ehrlichen Bamberger Züchter. Einige schwarze Schafe mischten näm­lich in die eigentlichen Samenpäck­chen eingefärbtes Sägemehl, um auf diese Weise die zum Verkauf stehende Ware ein wenig zu strecken. Als dies jedoch bekannt wurde, war Samen aus Bamberg natürlich nicht mehr begehrt.

Bei unserem Besuch im Gärtner- und Häckermuseum wurde uns ausführlich der historische Bamberger Zweidlerplan aus dem Jahr 1602 erklärt. Dieser 1,20 Meter mal 1,70 Meter große Kupferstich gilt europaweit als unvergleichliches und einzigartiges Meisterwerk, was auch die Wissen­schaftsarchitekten der UNESCO bestätigt haben.

Kaum zu glauben, aber mit aufschlussreichen Hintergrundinformationen wird selbst ein ural­ter Stadtplan für Teenager interessant. Beispielsweise sieht man anhand der lila Farbsigna­tur im Plan, dass am Südhang des Michelsbergs früher Wein angebaut wurde. Die aber bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts andauernde „Kleine Eiszeit“ und die Tatsache, dass die Bamberger Weinreben nicht reblaus-resistent waren, führten jedoch dazu, dass man den Weinbau in Bamberg damals wieder aufgegeben musste. Dafür gab es überdies noch einen histo­rischen Grund, denn im Zuge der Säkularisation bzw. infolge der Auflösung der Klöster kam es zu einem enor­men Rückgang der Nachfrage nach Messwein, denn die vielen Klöster waren zuvor eine wichtige Kundengruppe für den Weinverkauf. Für die Priester der Pfarrkir­chen lohnte sich der Anbau von Wein in Bamberg dann nicht mehr. Erst 2012 wurden im Rahmen der Landesgartenschau erneut Weinreben in historischer Anbauweise am Michels­berg angepflanzt.

Auf dem Zweidlerplan erkennt man auch, wie weit der Hauptsmoorwald – so wie heute im­mer noch – stets weiter in Richtung Osten zurückge­drängt bzw. gerodet wurde. Früher ge­schah dies jedoch, um neue Flächen für den Gartenbau zu gewinnen. Die Gärtner mussten einst die im Osten der Stadt gelegenen Felder sogar einzäunen, um sie so vor dem hungri­gen Wild aus dem Wald zu schützen.

Beim Rundgang durch das Gärtner- und Häckermuseum stellten einige Schüler des P-Seminars fest, dass der letzte Eigentümer dieses Hauses sogar etwas mit ihnen gemeinsam hatte. Er war ein Technik-Freak. Natürlich gab es damals noch keine Computer, aber Gärt­ner Kauer baute Leitungen für Licht in sein Haus – eine Sensation damals – und die dafür nötige Energie holte er tatsächlich in Form eines Akkus mithilfe einer Schubkarre aus dem nahe gelegenen Elektrizitätswerk, der heutigen Volkshochschule, in der Tränkgasse. Ein solcher Akku hielt dann eine Wo­che lang.

Natürlich haben wir bei unserer Führung durch das Museum auch die Heiligenfiguren be­wundert, die bei der Fronleichnamsprozession in Bam­berg durch die Straßen getragen wer­den. Darüber sind Kunsthistoriker jedoch nicht gerade begeistert, weil die Figuren dabei Schaden nehmen können bzw. auch schon nahmen. So hat der Heilige Sebastian bei einer Prozession einmal einen Sonnenbrand an einer Schulter abbekommen und er musste da­raufhin aufwändig restauriert werden. Der „Träger-Job“ einer solchen Heiligenfigur bei der Fronleichnamspro­zession ist eine sehr große Ehre und er wird innerhalb einer Gärtnerfamilie immer weitervererbt. Die Tatsache, dass sogar junge Männer, die mit der Kirche gar nichts mehr zu tun haben wollen, unbedingt Figurenträger sein wollen, war für die Schüler des P-Seminars doch sehr überraschend, denn diese Ehre ist ein echter Knochenjob. Ein Träger muss nämlich auf einer Schulter bis zu 50 Kilogramm stemmen können.

Und wer hätte es gedacht, Prozessionen erfüllten früher neben der kirchlich-religiösen Funk­tion auch noch eine weitere: sie waren nämlich eine Vorform der heutigen Dating-Portale, denn ein Figurenträger konnte nach der Zeremonie seiner Angebeteten das kleine Sträuß­chen, das er am Revers seines Anzugs trug, übergeben. Nahm die Holde diesen Blumen­schmuck an, konnte schon fast mit den Hochzeitsvorbereitungen begon­nen werden.

Der Schaugarten hinter dem Museum ist eine wahre grüne Oase und er vermittelt einen sehr guten Einblick, wie in früherer Zeit der typische Hausgarten einer Bamberger Gärtnerei gestaltet war und man lernt, mit welchen Geräten gearbeitet wurde.

Nach dem Gärtner- und Häckermuseum waren wir natürlich auch noch im 2019 neu eröffneten „Zentrum Welter­be Bamberg“ (Untere Mühlbrücke 5), wo wir uns vor allem den Bereich über die Entwicklung von Bambergs Gärt­nerstadt genauer ansahen und die hervorragende Videoinstallation zur Stadtgeschichte von Bamberg bewundert haben.

„Welterbe statt Weltstadt“ erweist sich doch als interessanter als anfangs gedacht und die nächste Exkursion führt uns weg vom historischen zum modernen Gartenbau in Bamberg sowie zur Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in der Galgenfuhr. Heute werden nämlich in unse­rer Stadt sogar Ingwer und Kurkuma angebaut. Dies verblüfft uns aber nur wenig, denn be­reits in grauer Vorzeit waren die Bamberger Gärtner sehr innovativ und äußerst experimen­tierfreudig, was sich darin zeigte, dass in manchen Betrieben von unseren Vorfahren bereits Melonen und Artischocken ange­baut wurden. Auch hierüber wird es wieder etwas zu berich­ten geben – keine „Saure Gurken Zeit“ also. Selbstverständlich stammt dieser sprich­wörtli­che Ausdruck, der heute im Journalismus für die nachrichtenarmen Wochen im Jahr bzw. das sogenannte „Sommerloch“ verwendet wird, ebenfalls aus dem Gärtnereiwesen. Damals bezog sich diese Redewendung allerdings auf den Winter, in dem es kein frisches Obst und Gemüse gab und wo man fast nur Sauerkraut oder durch Milchsäuregärung eingemachtes Gemüse als Vitamin C Quelle hatte.

P-Seminar Merz

In der „Woche der Gesundheit und Nachhaltigkeit“ begab sich die Klasse 6c auf eine Zeitreise zurück in die Gärtnerstadt Bamberg vor 120 Jahren.

Dabei gab es im Gärtner- und Häckermuseum ganz Erstaunliches zu entdecken, zum Beispiel:

  • Die ersten Häcker, die allerdings von digitalen Medien noch keine Ahnung hatten, sondern ganz analog ihre Weinberge hackten
  • Die typischen Gärtnerhäuser, die ein sehr großes Eingangstor haben, sodass man mit einem Pferdefuhrwerk durch das Haus direkt in den dahinter liegenden Garten fahren konnte

  • Eine gute Stube, die aber nur an hohen Festtagen genutzt wurde und in der es noch keinen Fernseher gab

  • Kinderspielzeug, das nicht per Klick flimmernde und animierte Fun-Games auf einen Touchscreen zauberte, sondern aus Holz war und auf das spätere Berufsleben, z.B. auf das Bespannen eines Ochsenkarren, vorbereitete

  • Schneebesen für die Küche, die aus der Spitze eines ausgedienten Weihnachtsbaumes hergestellt wurden, während der Rest desselben im Ofen verschürt wurde – perfektes Recycling

  • Einen Hackblock zur Zubereitung von Hackfleisch, denn dieses wurde noch manuell hergestellt und nicht durch einen elektrischen Fleischwolf gedreht – daher auch der Name „Hackfleisch“ und nicht „Wolffleisch“

  • Wände, die mit Hilfe von drei verschiedenen Farben und zwei unterschiedlichen Motiv-Schablonen von Hand verziert wurden – statt maschinell gedruckter Papiertapeten

  • Eine Hausapotheke, die mit selbst angebauten und getrockneten Kräutern bestückt wurde und äußerst wichtig war, da man sich einen Arztbesuch meist nicht leisten konnte

  • Spezielle Gitterregale zur Einlagerung von Zwiebeln direkt über einem Kinderbettchen und dem Ofenrohr, denn auf dem eisigen Dachboden wären die Zwiebeln im Winter eingefroren und kaputt gegangen

  • Hocker, die auf einem hohen Erfindergeist basierten, denn sie konnten mit einer einfachen Klappbewegung zur Trittleiter umfunktioniert werden

  • Das Vorgängermodell des heutigen Elektroherdes

  • Eine nicht ganz so moderne Toilette

Die sogenannte „gute alte Zeit“ war, wie uns Dr. Hubertus Habel, der Leiter des Gärtner- und Häckermuseums, auf eindrucksvolle und äußerst anschauliche Weise schilderte, doch viel beschwerlicher als man heutzutage oft denkt.

Vor allem interessierte uns natürlich der Garten, denn in Geographie hatten wir uns ja im letzten Schuljahr mit dem Bamberger Gärtnerviertel beschäftigt. Hier ging es auf eine Gemüse-Forschungsreise.

Zunächst mussten alle Schülerinnen und Schüler ein hölzernes Gemüsemodell aus einem Körbchen auswählen und dann die dazugehörige, echte Pflanze im Garten finden.

Eine sprachliche Herausforderung stellten hierbei in manchen Fällen die Begriffe im fränkischen Dialekt dar, die sich zum Teil als komplizierte Zungenbrecher erwiesen oder zu wahren Lachsalven führten.

Aber was hat die Bezeichnung Schdadsinäri eigentlich mit dem Begriff Schwarzwurzel zu tun? Dr. Hubertus Habel hat die Lösung. Mailänder Bauern verkauften dieses Gemüse namens „Scorzonera“, übersetzt „schwarze Rinne“, an die Bamberger. Das italienische Wort war jedoch etwas zu kompliziert für die Bamberger und daher wurde es im Laufe der Zeit eben fränkisch ausgesprochen: Schdadsinäri. Schwarzwurzel heißt die Pflanze auf Hochdeutsch, weil sie eine schwarze Wurzel ist, die zudem beim Schälen schwarze Finger verursacht.

Apropos Farben: Weshalb ist die gelbe Rübe, die vor 500 Jahren tatsächlich noch gelb war, heute eigentlich orange? Nun, Bamberger Gärtner züchteten früher – ebenso wie heute – auch Samen und verkauften davon sogar ca. 55 Tonnen pro Jahr bis nach Großbritannien und in die Niederlande, denn dort war es für die Samenzucht zu kalt. Erst seitdem es in den Niederlanden Gewächshäuser gab, konnte man auch dort Samen produzieren. Als dann in den Niederlanden ein nationales Gemüse entwickelt werden sollte, wurde dort so lange herumgetüftelt bis die einst gelbe Rübe die Nationalfarbe der Niederlande, orange, hatte.

Tja, und Radieschen waren ebenfalls nicht immer rot und rund, sondern weiß und sie hatten die Form eines Miniatur-Rettichs. Erst nach und nach gingen unsere heutigen Radieschen aus dem Vorgängergemüse, den sogenannten Eiszapfen, hervor.

Und ein letztes Farbenspiel: Wirsing ist vor allem bei uns im Raum Bamberg grün, andernorts ist er häufig eher gelblich. Die Bamberger verkauften nämlich früher die gelben Wirsingköpfe in andere Gegenden, weil sie meist größer und begehrter waren, während man den kleineren, grünen Wirsing hier verzehrte. Heute jedoch gilt gerade der grüne Wirsing als typisch fränkische Delikatesse.

Nach den vielen packenden Eindrücken im Gärtner- und Häckermuseum ging es weiter zum nahegelegenen „Unverpackt-Laden“.

Hier interviewten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 6c eine der beiden Geschäftsführerinnen über das Konzept des Ladens und sie erfuhren, wie man beim Einkauf unnötigen Verpackungsmüll einsparen kann.

Über das Thema „sparsamer Umgang mit Ressourcen“ hatte sich die Klasse in der Woche zuvor schon Gedanken gemacht, denn sie sollte an einem Werktag und am Wochenende aufschreiben, wo sie sich umweltfreundlicher verhalten hätte können. Abschließend ist zu hoffen, dass auch unsere Exkursion nachhaltig ist.

G. Merz