Wer von euch war schon einmal in Afrika, und zwar abseits der touristisch stark erschlossenen Länder wie Marokko, Tunesien, Ägypten oder Südafrika? – Niemand. Und wer von euch weiß, wo Uganda liegt oder hat schon einmal etwas über diesen Staat gehört? – Wenige. So lauteten die Fragen, die Frau Janina Möck zunächst an die Schüler der Q12-Geographie-Kurse und anschießend an alle achten Klassen richtete. Auf Einladung der Fachschaft Geographie berichtete Frau Möck am 18.12.2019 auf eindrucksvolle Weise über Uganda als ein Beispiel für ein Entwicklungsland, über Land und Leute, über die dortigen Lebensverhältnisse und Entwicklungshilfe. Da sie selbst vor fünf Jahren in Uganda ein Hilfsprojekt namens „We care for them“ gegründet hat, konnte sie den Schülerinnen und Schülern aus erster Hand schildern, was man sonst im Geographieunterricht häufig eher theoretisch behandelt, denn wer von uns hat schon einige Jahre in einem Entwicklungsland verbracht? Somit erwarben wir bei dem eineinhalbstündigen Vortrag zahlreiche neue Erkenntnisse und erlangten sehr viele kuriose Einblicke in das für uns so ferne und unbekannte Land.
- Bereits Ugandas Vielfalt an Stämmen und Sprachen lässt einen erstaunen. Uganda, ein Land, das etwa zwei Drittel so groß wie Deutschland ist, hat circa 120 verschiedene Distrikte, die mit unseren Bundesländern vergleichbar sind, und in vielen dieser Distrikte lebt ein eigener Stamm mit jeweils eigener Sprache. Die offizielle Amtssprache ist zwar, durch die britische Kolonialzeit bedingt, Englisch, aber aufgrund der fehlenden Schulbildung vieler Leute kommt man mit Englisch oft nicht sehr weit. Hilfreich ist daher das Erlernen einiger Stammessprachen, zum Beispiel von Luganda, der Sprache des größten Stammes, und von Kisuaheli. Aber dennoch würde man mit Menschen am anderen Landesende keine Unterhaltung führen können, weil dort schon wieder ganz andere Stammessprachen üblich sind. Auf Deutschland übertragen hieße dies: Leute aus Bayern könnten sich nicht mit den Einwohnern Schleswig-Holsteins verständigen können.
- Ugandas Flagge ähnelt der deutschen. Sie ist ebenfalls schwarz, rot, gold – dies aber zwei Mal unter einander, und in der Mitte befindet sich ein Kronenkranich. Schwarz symbolisiert die Hautfarbe der Menschen Schwarzafrikas, gelb steht für die permanente Sonneneinstrahlung in Äquatornähe und die rote Farbe erinnert an die blutigen Kämpfe zur Erlangung der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft. Mit dem Kronenkranich identifizieren sich die Einwohner Ugandas sehr gerne, denn dieser Vogel ist scheu, tanzt gerne und er ist sehr schön – „genau wie wir“, so sagen die Leute aus Uganda.
- Durch den südlichen Teil von Uganda verläuft der Äquator, und der Victoriasee, aus dem der Weiße Nil entspringt, bildet die Südgrenze des Landes in Richtung Tansania und Kenia.
- Uganda hat einen Präsidenten namens Yoweri Museveni – und dies bereits seit 29 Jahren! Die „offizielle“ Zustimmungsrate für diesen Präsidenten liegt bei den Wahlen stets bei über 90 Prozent, obwohl sehr viele Leute den Präsidenten eigentlich nicht wählen. Wer sich darüber wundert und dies in Protesten zum Ausdruck bringt, verschwindet häufig von der Bildfläche. Im Prinzip herrscht Diktatur, Meinungsfreiheit gibt es nicht, dafür ist es aber immerhin einigermaßen friedlich im Land.
- Auch die Bevölkerungsverhältnisse sind den deutschen in keinster Weise ähnlich. In Uganda ist über die Hälfte der Bevölkerung unter 15 Jahre alt und die Lebenserwartung liegt bei nur 50 bis 55 Jahren. Viele Kinder sind aufgrund von Aids Halb- oder Vollwaisen. Nur wenige Kinder haben noch beide Elternteile, die Regel ist eher, dass Vater oder Mutter tot sind und Kinder bei Verwandten oder bei bereits sehr alten Großeltern aufwachsen. Dies ist häufig auch dadurch bedingt, dass in Uganda immer noch Polygamie herrscht und viele Männer ihre früheren Frauen nebst Kindern im Stich lassen, um mit einer neuen Frau zusammenzuleben. Oftmals stellt man erst bei der Beerdigung eines Mannes fest, wie viele Kinder er tatsächlich hatte, denn bei solch einem Ereignis erscheinen alle Familienangehörigen.
- In unseren Breiten, die von den vier Jahreszeiten geprägt sind, haben die Leute schon früh lernen müssen, für den Winter, für Notzeiten oder Härtefälle vorzusorgen und eine entsprechende Logistik aufzubauen. In Uganda, wo es aufgrund der Lage in Äquatornähe eigentlich nur eine Jahreszeit, nämlich Sommer, gibt, waren und sind solche Überlegungen unbekannt. Man sät, wenn man nichts mehr zu essen hat, und aufgrund des Regens und des relativ fruchtbaren Bodens wächst nach kurzer Zeit wieder etwas nach, sodass man erneut Nahrung hat. Das Ergebnis ist allerdings eine auch heute noch relativ primitive Form der Landwirtschaft. Man lebt von der Hand in den Mund. Geschäftssinn, betriebswirtschaftliches Denken und Agieren: Fehlanzeige.
- Exotische Früchte, z.B. Papaya, Maracujas, Mangos, Vanille, Ananas, Ingwer, usw., die es bei uns mittlerweile in gut sortierten Supermärkten gibt, sind in Uganda nichts Außergewöhnliches. Das Alltagsgericht sind hingegen Kochbananen, die, anders als es der Name vermuten lässt, wie Kartoffeln schmecken.
- Auf den Feldern arbeiten fast nur Frauen. Mit einfachen Hacken müssen sie die Felder bestellen, wobei sie ihr jüngstes Kind auf den Rücken geschnallt haben und die anderen Kinder bei der Arbeit mit dabei sind, weil sonst niemand auf sie aufpassen kann und ihr Schulbesuch nicht finanzierbar ist. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn für den Knochenjob auf dem Feld verdienen die Frauen nur einen bis zwei Euro pro Tag. Da sehr viele Leute in Uganda eine Arbeit suchen, müssen die Landeigentümer auch nicht mehr Lohn bezahlen, denn wenn eine Feldarbeiterin ausfällt oder ihr der Lohn zu niedrig erschiene, würden sofort etliche andere Leute diesen Job annehmen. Die absolute Verzweiflung der Leute ermöglicht diese Hungerlöhne, wobei diese Bezeichnung wörtlich genommen werden kann. Der Lohn der Arbeiterinnen reicht tatsächlich gerade so für den Kauf der täglichen Nahrung. Das Schulgeld, das eine einigermaßen gute Schule pro Kind verlangt, beträgt im Vergleich dazu etwa 50 Euro pro Monat. Kein Wunder, dass die meisten Kinder nicht zur Schule gehen (können). Manche Kinder in Uganda wissen daher im Alter von sechs Jahren noch nicht einmal, wie man einen Stift oder gar einen Löffel richtig hält. Weil sie zudem meist barfuß über dorniges Gelände laufen müssen, haben sie starke Verletzungen an den Füßen, in die Würmer oder Larven eindringen und sich dort vermehren. Auch Kinder, deren Füße von Ratten angefressen wurden, sind keine Seltenheit.
- Einige Stämme Ugandas betreiben auch Viehzucht. Wird von einem Nachbarstamm Vieh gestohlen, so kann dies bereits zu einem blutigen Stammeskrieg führen.
- Aufgrund der Armut sind die Wohnverhältnisse in Uganda äußerst spartanisch. In einer kleinen Hütte schläft die gesamte Familie in einem Raum. Ein Bett müssen sich mehrere Familienmitglieder teilen, und unter dem Bett brüten manchmal noch gleichzeitig einige Hühner ihre Eier aus. Oftmals verfügen die Menschen aber nur über einfache Matratzen, wenn sie nicht gleich auf dem nackten Fußboden schlafen müssen. Vor der Hütte ist eine primitive Duschmöglichkeit sowie ein Klohäuschen und gekocht wird ebenfalls vor der Hütte.
- Schulen gibt es zwar in Uganda. Meistens sind dies staatliche, kostenlose Schulen, bei denen die Kinder oft unter freiem Himmel und unter ärmlichen Bedingungen fast nichts lernen, weil die Lehrer zum Teil selbst nicht einmal lesen können. Auf einer Fläche des Mehrzweckraums des DG wären in Uganda fünf Klassen untergebracht, und zwar in jeder Ecke eine und in der Mitte noch eine. Schulbänke gibt es erst für die Schüler der siebten Klassen. Vorher sitzen die Kinder auf dem Boden oder auf Steinen und zerschlissene Plastiktüten ersetzen Schultaschen. In diesen Schulen stecken sich die Kinder oftmals mit allen möglichen Krankheiten an, sodass es häufig besser wäre, sie würden zu Hause bleiben.
- Wenn man wirklich etwas lernen will, muss man eine der teuren Privatschulen besuchen, die aber immer wieder Extrazahlungen für diverse schulische Aktionen einfordern, die dann zum Teil gar nicht stattfinden, in denen aber immerhin ausgebildete Lehrer arbeiten, die auch mehr als die üblichen 50 Euro Monatsgehalt verdienen, die ein Lehrer einer staatlichen Schule erhält. An diesen Privatschulen werden die Kinder gut für ein Studium an einer der Universitäten Ugandas, die zu den besten in Afrika zählen, vorbereitet.
Nachdem Frau Möck während eines freiwilligen sozialen Jahres in Uganda diese Verhältnisse hautnah mitbekommen hatte, setzt sie sich nun seit fünf Jahren dafür ein, für Waisenkinder eine adäquate Schule zu errichten, die auch die Bezeichnung „Schule“ verdient.
Bis dieses Schulgebäude fertig gebaut ist, unterstützt sie spendenfinanziert eine begrenzte Anzahl von Kindern (im Moment sind es 18), denen sie einen Besuch in einer guten Schule ermöglicht, sodass diese einmal eine Ausbildung bestehen oder ein Studium an einer Universität erfolgreich abschließen können.
Was ihr Projekt auszeichnet ist, dass keine große Hilfsorganisation dahinter steht, bei der viel Geld für Verwaltung eingesetzt wird, sowie die Tatsache, dass sie mit vertrauenswürdigen Mitarbeitern vor Ort zusammenarbeitet, sodass auch dann, wenn sie in Deutschland ist, ihr Projekt, bei dem sehr auf Nachhaltigkeit Wert gelegt wird, effektiv fortgeführt wird. Frau Möck überzeugt vor allem dadurch, dass sie Uganda mit all seinen Stärken aber eben auch Schwächen realistisch einschätzt und nicht ein rührseliges Bild der „armen kleinen Kinder“ zeichnet. Daher versucht sie auch in kleinen Schritten Probleme, wie das rasante Bevölkerungswachstum oder die Unterdrückung von Frauen, anzugehen.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Frau Janina Möck, dass sie uns auf äußerst beeindruckende Weise Afrika ans DG gebracht hat. Informationen sowie die entsprechende Bankverbindung zu Frau Möcks Uganda-Hilfsprojekt „We care for them“ finden Sie unter: www.wecareforthem.eu
G. Merz