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Theaterkritik „Zaun“ von Sam Max (Inszenierung von Wilke Weermann)

Das Theaterstück „Zaun“ von Sam Max, das am ETA-Hoffmann-Theater von Wilke Weermann inszeniert wurde, handelt von dem Mädchen Avery, das abgeschirmt von der Außenwelt einen faden und rituellen Alltag führt. Sie selbst darf ihre extrem behütete Lebensumgebung, die mit Hilfe eines Zaunes von der Außenwelt abgetrennt ist, nicht verlassen, obwohl ihre Eltern und auch ihr Onkel dazu die Erlaubnis haben. Außerdem trifft Avery auf Lieferjunge, der normalerweise in eben dieser Außenwelt lebt. Nach dem Tod ihres Onkels kann sie mit diesem innerhalb einer Traumwelt kommunizieren.

Der Regisseur Wilke Weermann inszeniert den abgegrenzten Lebensraum von Avery als einen Glaskasten unter der Erde, der nur mit Hilfe eines Aufzugs erreicht werden kann. Trotzdem ist die Farm der Familie eingezäunt und kann auch beispielsweise von Lieferjunge oder Sheila, der Freundin des Onkels, betreten werden, was dann gegen das Bild des Kastens unter der Erde verstößt. Dies macht unklar, was genau gemeint ist, und lässt Freiraum für Interpretation. Des Weiteren gibt es in dieser Inszenierung viele visuelle Effekte, wie zum Beispiel die ständige Veränderung des Lichts und die bunte Gestaltung des Bühnenbildes. Wichtig sind aber auch auditive Elemente, wie die musikalische Untermalung bestimmter Situationen und der Übergang der Stimmen in eine Audiospur, wenn es sich um eine Situation aus der Traumwelt oder um eine Erinnerung handelt. Die eben genannten Elemente verleihen dem Stück Modernität und lassen es überlegt und durchstrukturiert wirken.

Trotzdem wirkt die Handlung des Stücks verwirrend, durcheinander und komisch. In einigen Situationen ist es nicht einfach, dem Stück zu folgen. Dies passiert beispielsweise dann, wenn eine vermeintliche Traumsituation Einfluss auf die reale Welt nimmt und man sich nicht mehr sicher ist, in welcher Zeit sich die Handlung in diesem Moment befindet. Ein ähnliches Beispiel ist auch der erste Tötungsversuch der Eltern durch Avery und Lieferjunge, bei dem sie versuchen, diese mit Hilfe von Plastiktüten zu ersticken, was im ersten Moment auch zu funktionieren scheint. Nach Ablauf eines Tages sind die Eltern aber wieder wohlauf und es ist unklar, was überhaupt in der Realität passiert ist. Ein weiterer Punkt, der zu nennen ist, ist dass das Theaterstück durch die von der Familie durchgeführten Rituale mysteriös wirkt. Der rituelle Alltag von Avery gibt einem das Gefühl, die Familie wäre eine Sekte. Durch Situationen wie die schon genannten Gewaltexzesse Averys gegenüber ihren Eltern, dem Suizid des Onkels oder einer Szene, bei der sich die Mutter den Darm herausschneidet, damit er zum Abendessen verzehrt werden kann, bekommt „Zaun“ einen stark verstörenden Beigeschmack. Es spielt mit Horrorelementen und lässt dem Zuschauer einen Schauer über den Rücken laufen.

Zusammenfassend ist „Zaun“ vor allem ein Stück, das zum Nachdenken anregt und viel Freiraum für Interpretation gibt. Die schauspielerische Leistung des Ensembles war sehr überzeugend und konnte gut Emotionen herüberbringen.

Johanna Böhm 10d