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Endlich kann man wieder Exkursionen unternehmen und den theoretischen Unterrichtsstoff aus dem Schulbuch vor Ort live und hautnah erleben. Daher fuhren alle fünften Klassen im Rahmen eines fächerübergreifenden Pro­jekts, bei dem Biologie, Natur und Technik sowie Geographie beteiligt waren, in die Fränkischen Schweiz zum Gut Schönhof in Eichenbirkig.

Nach einer herrlichen Busfahrt durch das Tal der Wiesent, vorbei an bizarren Felsen, und nach einer kurzen Ves­perpause durften die Schülerinnen und Schüler zunächst unter Anlei­tung der Biologielehrkräfte auf einer Wiese diverse Pflanzen bestimmen und nach der Mit­tagspause erhielten sie an sechs Lernstationen einen Einblick in die Kälbermast.

Das absolute Highlight war hierbei die „Handmassage im Kälbermaul“. Junge Kälbchen sind nämlich sehr neugie­rige Wesen und die Fünftklässler haben schnell mitbekommen, dass diese sehr gerne ihre Hände abschlecken wollten, was die Kinder anfangs etwas ekelig oder ein bisschen furchterregend fanden. Aber als die Schüler er­fuhren, dass Kälbchen, auch wenn sie groß sind, im Oberkiefer gar keine Schneiderzähne haben, sondern nur einen mit einer festen geriffelten Hornplatte ausgestatteten Gaumen, war ihnen klar, dass sie nicht um ihre zarten Händchen bangen mussten und ihre Finger gar nicht abgebissen werden konnten. Sobald die ersten Mutigen ihre Finger im Kälbermaul hatten und dies sogar recht angenehm fanden, gab es kein Halten mehr. Jeder wollte eine, zugegebenermaßen etwas schleimige, Handmassage, obwohl die Zungen der Kälbchen doch recht rau sind.

Aber warum wurden die süßen Kälbchen denn nicht zusammen in einem großen Freiluftgehe­ge untergebracht, sodass sie miteinander spielen oder sich beschnuppern können? – Dafür gibt es einen wichtigen Grund: in den ersten Lebenswochen sind sie besonders empfindlich ge­genüber Krankheitserregern und sie würden sich, wenn sie nicht isoliert gehalten werden würden, gegenseitig anstecken. Deshalb stehen sie in sogenannten „Kälberig­lus“. Auf diese Weise können sie sich zudem bei Zugluft und Regen auf ein warmes Strohnest in ihre Plastik-Box zurückziehen und bei gutem Wetter vor der Box im Freien die Sonne genießen.

 

Wenn die Tiere etwas robuster sind, kommen sie in den „Kindergarten“, wo sie schließlich in kleinen Gruppen zusammenleben und sich untereinander kennenlernen können. Außerdem bekommen sie dann auch Heu zu fressen, damit sie sich zu fleißigen Wiederkäuern ent­wickeln. In den ersten beiden Lebenswochen gab es für die Kälbchen vor allem die sogenann­te „Kolostralmilch“. Diese allererste Muttermilch, die die Kühe unmittelbar nach der Geburt ihrer Kälbchen produzieren, ist eine meist dickflüssige, leicht gelbliche Milch mit besonders vielen Vitaminen und Mineralien. Sie soll die die Jungtiere stärken und möglichst immun gegen Krankheiten machen.

Schon bald nach der Geburt bekommen alle in EU-Betrieben gehaltenen Kälbchen zudem eine gelbe Ohrmarke mit einem Zahlencode darauf. Diese Nummer mussten die Schüler an einer der Lernstationen erforschen: „DE“ steht für das Herkunftsland Deutschland, „09“ be­deutet Bundesland Bayern und im Anschluss daran folgt die Betriebsnummer mit der spezifi­schen Nummer eines Kalbs. Somit trägt jedes Tier stets seinen Ausweis im Ohr, und dies ein Leben lang. Eine Umkennzeichnung wäre illegal.

Und weiter ging es zum Melken. Zum Glück haben die Schüler keine echten Kühe gemolken, sondern nur eine Holzkuh, an der unten ein Plastikeimer mit Gummizitzen hing, denn bei so manchem „Melkversuch“ durch die Fünftklässler hätten sich die Kühe bestimmt gewehrt und es wäre auch sehr viel Milch verloren gegangen. So aber erwies sich an dem heißen Sommer­tag das Wasser aus dem Plastik-Euter als willkommene Abkühlung. Man konnte damit auch den einen oder anderen Klassenkameraden ein wenig vollspritzen.  Diese Station war folglich sehr beliebt bei den Schülern. Und jeder weiß nun, dass man vor dem Melken das Euter zu­nächst mit lauwarmem Wasser abwaschen muss. Danach kommt die sogenannte „Zitzenpro­be“, um festzustellen, ob die Milch in Ord­nung ist und keinerlei Blutspuren enthält, und her­nach geht es ans „Anrüsten“. Dabei werden die Zitzen leicht massiert, um die Kuh auf diese Weise melkbereit zu machen. Nach einem Melkvorgang muss man wiederum „ausmelken“, das heißt, jedes Euterviertel wird leermassiert, weil es sonst zu Eutererkrankungen kommen kann oder die Milchproduktion der Kuh nachlässt.

Es war beeindruckend zu sehen, was man aus 20 Litern Rohmilch alles herstellen kann, näm­lich entweder 20 Liter Trinkmilch oder zwei Kilogramm Käse oder vier Päckchen Butter oder 1,4 Liter Sahne oder vier Kilogramm Quark oder 20 Kilogramm Joghurt.

An weiteren Stationen sollten die Schüler mithilfe von Schautafeln in Gruppenarbeit einige Fragen beantworten und die Fakten anschließend im Klassenverband vortragen. Dabei ging es zum Beispiel über die Auerochsen, die Vorgänger unserer heutigen Hausrinder, über die ver­schiedenen Rinderrassen, wie die Schwarzbunten, das Fleckvieh und das deutsche Angusrind, oder Daten zur Milchleistung von Kühen. So produziert eine Kuh im Jahr zwischen 4.000 und 8.500 Liter Milch. Dies ist im Vergleich zu der Milchleistung einer Kuh vor hundert Jahren eine etwa dreimal so hohe Menge. Je nach Tierrasse gibt eine Kuh pro Tag heute zwischen 15 und 40 Liter Milch.

Ein Gang in den Stall durfte natürlich nicht fehlen. Dort wurden in dem Moment, als wir ein­traten, gerade „die Betten für die Tiere frisch gemacht“. Was es damit auf sich hatte, musste uns die Bäuerin erst erklären. Über die Köpfe der Tiere hinweg fuhr nämlich unterhalb des Stalldachs auf einer Schiene eine Art Wagen mit einem Stroh­ballen darauf, von dem aus au­tomatisch Stroh in die Tierboxen verteilt wurde, sodass das Vieh wieder eine fri­sche Unterla­ge zum Herumlaufen und Liegen bekam. Für die Tiere ist dies so, als würde es Stroh „schnei­en“. Das alte, verbrauchte Stroh wird später zusammen mit den Exkrementen über ein Förder­band automatisch ab­transportiert. Da Gut Schönhof ein Biobetrieb ist, hat hier jedes Tier etwa vier Quadratmeter Platz – dies ist dop­pelt so viel wie in der konventionellen Tierhaltung.

An weiteren Lernstationen konnten die Fünftklässler zum Schluss noch erfahren, welche Menge an Heu, Silage, Kraftfutter, Mineralstoffen und Wasser Kühe pro Tag zu sich nehmen und wie die fünf verschiedenen Mägen der Tiere funktionieren.

Viel zu schnell verging unsere Zeit auf Gut Schönhof, wo es mehr als nur „gut“ und „schön“ war. Ein herzlicher Dank geht an die Mitarbeiterinnen des Hofs, die Biologielehrkräfte, die bei den Pflanzenbestimmungen sehr mit­geholfen haben, und vor allem an Frau Oberstudienrä­tin Catja Bier, die Gut Schönhof ausgewählt und einige Vorexkursionen dorthin unternommen hat. In Zukunft werden wir alle sicherlich unsere Lebensmittel noch mehr wertschätzen, da wir gesehen haben, welch hoher Aufwand für deren Herstellung betrieben werden muss. Da­mit hat Gut Schönhof auch noch einen wichtigen Aspekt zum Thema Alltagskompetenzen erreicht.

G. Merz